DAS INDIVIDUELLE TEEREZEPT

Die meisten Menschen denken im ersten Moment bei Tee vermutlich an schwarzen Tee, Früchtetee  oder grünen Tee. Mehr oder weniger lecker und kaum mit Wirkung behaftet. Für mich hat sich Tee im Rahmen meiner Ausbildung zu etwas Anderem entwickelt – einer Möglichkeit, ein Heilmittel individuell und ganzheitlich zusammenzustellen, bestehend aus verschiedenen Drogen(Droge ist eigentlich nur ein Begriff für eine getrocknete Heilpflanze) – das individuelle Teerezept. Angepasst an Konstitution, Typus, Symptome und Erkrankung des einzelnen Patienten.

Mein Lehrer Klaus Krämer fing vor 30 Jahren an, die Augendiagnose mit der Pflanzenheilkunde zu kombinieren und daraus eine Art „Rezept aus dem Auge“ zu entwickeln, meist in Kombination mit Schüsslersalzen. Seine profunde Art zu lehren und sein unglaubliches Heilpflanzen-Wissen haben mich früh begeistert. Mehr Informationen zum Rezept aus dem Auge findet sich auf der Seite Augendiagnose.

Basisch

Die meisten Wirkstoffe der Heilpflanzen sind gut wasserlöslich und können ebenso gut über die Schleimhäute des Verdauungstraktes aufgenommen werden. Nebenbei ist der ungesüßte und gern bittere Heiltee auch noch basisch. Über Wochen und Monate kurmäßig getrunken ein guter Gegenpol zur latenten Gewebsazidose, die heute die meisten Menschen haben dürften(Stress, Nikotin, Bewegungsmangel, übermäßiger Fleischkonsum, Alkohol, Raffinadezucker/Glucose-Fructose-Sirup, etc.). Und gerade diese nicht akut spürbare Gewebsazidose steht im Verdacht, ein Auslöser verschiedener Erkrankungen zu sein.

Studiert man nun die älteren Bücher aus dem deutschen Sprachraum, so ist man überrascht, wie vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten von Heiltees sind. Generationen von Kräuterfrauen und Heilkundigen haben sich früh Gedanken gemacht, welche Heilpflanzen bei welchen Indikationen gut zusammenpassen. Welche Heilpflanze wirkt mehr auf den Lymphfluss? Das Gänseblümchen, die Brennnessel oder beide? Einige Rezeptbücher aus den 1940/50er Jahren sind eine echte Fundgrube an praktischem Heilpflanzenwissen. Und auch hier schöpfen die Autoren aus Erfahrungsquellen, deren Ursprung noch weiter zurückliegen.

Letztlich findet sich auf jedem Kontinent ein ausgeprägtes Heilpflanzenwissen, dessen Genauigkeit einen in Staunen versetzt. Vor ein paar tausend Jahren konnten die Menschen „nur“ mit dem arbeiten, was sie umgab. Hellsichtige und sensible Menschen hatten schon immer spezielle Zugänge zu Wissen. Wie sonst konnten Medizinmänner verschiedener indigener Stämme wissen, dass eine Pflanze am Morgen gesammelt, eine andere Wirkung hat als am Abend gesammelt?

Vielfältig

Die Kunst des Komponierens von Heilpflanzentees besteht letztlich darin, zu wissen, welche Hauptaspekte eine Heilpflanze besitzt. Zum Beispiel kennt jeder das Johanniskraut als Mittel bei leichten Depressionen und Melancholie. Aber neben dieser Eigenschaft wurde es von Hippokrates schon als kühlendes, entzündungs- und eiterwidriges Mittel bei Lungenerkrankungen eingesetzt. Paracelsus erwähnt zwar auch schon den Einsatz bei „tollen Phantasien“, kennt aber Johanniskraut auch als sehr wichtiges Wundheilmittel – damals vermutlich das größere Problemfeld.

Johanniskraut

Also passt Johanniskraut besonders gut, wenn sich bei einem Patient leichte Depressionen und Wundheilungsstörungen zusammentreffen. Nicht unerwähnt darf das Johanniskrautöl bleiben, welches traditionell bei Hexenschuss, Gicht und Verrenkungen angewendet wird – die frischen Blüten zu Johanni gegen Mittag gepflückt und in Olivenöl eingelegt bilden die Grundlage. Spannenderweise wird diese Öl auch bei Sonnenbrand eingesetzt – Johanniskraut hat kein Problem in der prallen Sonne zu stehen. Andere Heilpflanzen wachsen doch lieber im Schatten oder stehen im Wasser. Ist ein Patient allerdings sehr hellhäutig und neigt zu Sonnenbrand, muss man von der Verschreibung des Johanniskrauts in hohen Dosen absehen – vor allem im Sommer. Es kann zu unerwünschten Hautreaktionen kommen. Im Lehrbuch der biologischen Heilmittel sind dem Johanniskraut sechs Seiten gewidmet, voller Erfahrungsberichte aus der Praxis.

 

Abwechslungsreich

Ich mische als Heilpraktiker in der Regel 8 bis 12 Heilpflanzen in eine Teemischung. Dabei ist es wichtig zu wissen, welche Heilpflanzen zusammenpassen und welche erhitzenden oder kühlenden Aspekte vorliegen. Und: wie bitter ist Wermut wirklich – 5 Gramm in der Mischung gehen noch – aber 10 Gramm? Damit bekomme ich  der nächsten Behandlung vermutlich eine Handtasche an den Kopf. Hab ich die Kieselsäurepflanze auch mit dabei, um das Immunssystem anzuregen und die Haut zu unterstützen? Sind genügend Gerbstoffpflanzen im Tee, um den Durchfall zu mildern(Schleimhaut wird adstringiert)? Mir wird beim Zusammenstellen des individuellen Teerezepts auf jeden Fall nie langweilig :).

Einige Heilpflanzen besitzen Saponine als Hauptwirkstoffe – leicht blut- und sekretverdünnende Wirkstoffe(z.B, in Roßkastanie oder Efeu zu finden),die gerne bei hartnäckigem Husten mit Verschleimung Anwendung finden. Saponine machen sich aber auch sonst gut in Teemischungen, da sie die Aufnahme anderer Wirkstoffe erleichtern und somit als Wirkverstärker angesehen werden können. Allerdings nicht zu hoch dosiert, da sie bei empfindlichen Individuen leicht die Magenschleimhaut reizen. In diesem Fall macht sich eine schleimhaltige Begleitpflanze wie Eibisch oder Bockshornklee wieder ganz gut…

So, hier endet mein kleiner Ausflug in die Welt der Heilpflanzen und Teemischungen. Ich hoffe eure Sicht auf „Tee“ hat sich etwas verändert und ihr blickt mit mehr Wertschätzung auf die Teepflanzen rechts und links des Weges…